Wir entdecken unsere Stadt (NEU) - Chapellerie Waldbillig, Rue des Capucins

Sie glauben, Sie kennen sich in unserer Hauptstadt aus? Wenn Sie sich da mal nicht täuschen. Einige Gebäude, an denen Sie regelmäßig vorbeigehen, haben eine ganz besondere Geschichte. Dr. Robert L. Philippart ist ein wahrer Experte auf diesem Gebiet und begibt sich mit Ihnen auf Entdeckungstour zu verborgenen Geschichten, die Sie diese Wahrzeichen mit anderen Augen sehen lassen.

Chapellerie Waldbillig, Rue des Capucins

Bereits seit 1864 war in der Rue des Capucins 11 ein Hutgeschäft untergebracht. Dieses Geschäft wurde von Herrn Jentgen gegründet und 1874 von Jean Unden übernommen. „Das grosse Hut- und Mützenlager“, das sich bis 1892 an dieser Adresse befand, war auf die industrielle Herstellung von Mützen und Hüten spezialisiert. Diese Produkte wurden sowohl an professionelle Fachhändler als auch private Kunden verkauft. Sie wurden zu festen Preisen bzw. auf Kommission verkauft.

Mathias Waldbillig (1836–1903) und Marguerite Berweiler (1847–1913) führten einen Hutladen an der Grand’Rue. Ihr Sohn Jean (1874–1952) und seine Frau Marie-Justine Kioes (1878–1921) gründeten die Hutmacherei „M. Waldbillig“ in der Rue des Capucins, die 1919 von Georges Kioes übernommen wurde. Die Marke Waldbillig definiert sich als „beste und billigste Bezugstelle für Mützen und Hüte“ und garantierte ihren Kunden einen kompetenten Service. Die Marke blieb bis zur Einstellung der Geschäftstätigkeiten im Jahr 1994 Eigentum der Familie Kioes. Jean Waldbillig hatte 1911 das Nachbarhaus erworben, das er später in ein neues Jugendstilgebäude integrierte. Er hatte den Architekten Jean-Pierre Koenig mit der Erstellung der Pläne beauftragt. Dieser war einer der renommiertesten Architekten des Landes. Koenig hatte gerade das Gebäude der Sparkasse am Place de Metz abgeschlossen. Wenige Jahre später wurde er mit dem Prix Grand-Duc Adolphe ausgezeichnet. Das Jugendstilgebäude in der Rue des Capucins verfügt über eine helle Fassade, deren rote Ziegelsteine sich mit dem Grau des Granits der Ladenfronten abwechselten. Die Schmiedeeisen der Schaufenster sind veredelt, die Basreliefs erinnern an die Motive von Victor Horta. Das Holz ist fein verarbeitet, so dass das Gebäude Handwerkskunst ausstrahlt. Selbst die Werbung in der Presse enthielt eine Grafik mit den geschwungenen Linien des Jugendstils. Mit diesem Stil wollte Waldbillig eine junge Kundschaft anziehen, die offen für neue Trends war. Die neuen Räumlichkeiten wurden 1913 eingeweiht.

Das Sortiment an Kopfbedeckungen umfasst Strohhüte für den Sommer, Samt- und Wollmützen für Kinder, Zylinderhüte für Zeremonien und Hochzeiten, Melonen mit festem Rand und Filzhüte. Diese waren zu einem Zeichen der Respektabilität in der städtischen Gesellschaft geworden. Priesterhüte und Biretts verschwanden, nachdem das zweite Vatikanische Konzil von den religiösen Kopfbedeckungen zur zivilen wechselte. Schirmkappen und Gavroche-Mützen waren Arbeitern und Bauern vorbehalten. Damenkopfbekleidung stellt eine ganz andere Palette dar, von nüchternen Modellen wie Hüten, die mit einfachen Bändern unter dem Kinn befestigt werden, bis hin zu den raffiniertesten Hüten von Modisten. Die Hutmarken verstärken den sozialen Charakter des Hutes „Feine Velourshüte, englische Mützen mit mehr als 100 dessins“ kündigte 1913 die Werbung an. Das Sortiment umfasste auch Kappen für Trambahnfahrer, Schaffner, Sportverbände, Blaskapellen und Gesangsvereine. Die Kopfbedeckung ist Teil der Uniformen und unterscheidet professionelle, sportliche oder kulturelle Gruppen. Hüte und Mützen spiegeln soziale Normen wider und sind eng mit bestimmten Anlässen verbunden, zu denen sie getragen werden. Hüte sind auch ein Sammlerstück. Waldbillig vertritt seit den 1920er Jahren die Marken Borsalino, Mayer Brummels, FLéchet und Elina. Ab 1949 erweiterte das Geschäft seine Produktpalette um Hosenträger, Gürtel, Helme, Baskenmützen, Schals und Krawatten.

Bilder: © Robert Philippart

Werbung 1908 © LW 10 Januar 1908